Dr. Martina Melzer, veröffentlicht: 12.07.2023
Morgens, 6:30 Uhr, die Kirchenglocke läutet. Ich stehe auf. Meine erste Routine: Immer ungefähr zur gleichen Zeit aufstehen. Dann gehe ich ins Bad, dann mache ich
eine Yoga-Übung, eine Atemübung, Fußgymnastik. Die nächsten Routinen. Danach trinke ich zwei große Gläser lauwarmes Wasser mit einem Hauch Salz darin. Noch so eine Routine, so ein Ritual. Dann
bereite ich das Frühstück zu. Über den Tag verteilt folgen weitere Routinen und Rituale, die ich mir während meiner Genesungsreise angewöhnt habe.
Jeder Mensch hat seine Routinen und Rituale – gute wie schlechte. Der eine isst vielleicht immer montags Haferbrei zum Frühstück, die andere raucht nach dem Mittagessen immer eine Zigarette. Es
sind Verhaltensweisen, die Menschen sich aneignen und die sie dann immer so beibehalten. Es werden Automatismen.
Gesunde Rituale und Routinen können auf deiner Genesungsreise sehr wichtig sein.
Warum sind sie wichtig?
Rituale und Routinen sind wie gesagt Dinge, die du eigentlich immer machst. Du hast sie irgendwann angefangen, vielleicht, weil sie eine besondere Bedeutung haben,
vielleicht auch durch Zufall. Jedenfalls sind diese Dinge etwas, dass sich immer aufs Neue wiederholt. Es ist vorhersagbar. Es gibt Struktur, sorgt für Stabilität, ist verlässlich.
Und das lieben dein Gehirn und dein autonomes Nervensystem. Denn alles, was vorhersagbar, stabil ist und sich wiederholt, steht für Sicherheit. Wenn du eine Form des Mind-Body-Syndroms hast wie
ME/CFS, Long Covid, Fibromyalgie oder Reizdarm, dann befinden sich dein Gehirn und
Nervensystem im Überlebensmodus. Sie stecken im Gefahrenmodus fest. Was sie brauchen, ist: Sicherheit.
Deshalb können Rituale und Routinen, die deine Gesundheit fördern, auf deiner Genesungsreise so hilfreich sein. Es kann aber auch wichtig sein, ungesunde Rituale und Routinen aufzugeben.
Rituale und Routinen trainieren das Gehirn
Sich eine neue Verhaltensweise, eine neue Routine, ein neues Ritual anzugewöhnen, ist übrigens eine klassische Form des Gehirntrainings. Routine oder Ritual
bedeutet, dass du etwas sehr oft wiederholst, bis es ein Automatismus wird. Und genauso funktioniert Gehirntraining:
Etwas, was man neu lernen oder verlernen will, unzählige Male machen bis es eine Gewohnheit ist. So bilden sich im Gehirn stabile neue Nervenverknüpfungen. Und das ist Neuroplastizität.
Was mir wichtig ist: Angenommen du möchtest meditieren, gesünder essen oder mehr Pausen einlegen, weil es deine Genesung fördern könnte, dann mach dir keinen Stress damit! Setze dich nicht unter
Druck damit, es zum Beispiel jeden Tag um diese oder jene Uhrzeit machen zu müssen. Das triggert nur wieder den Überlebensmodus.
Überhaupt musst du es nicht, du solltest es nicht, sondern du möchtest es, du willst es. Es ist freiwillig. Mach außerdem nur Dinge zu deinem Ritual, die dir wichtig sind, die du magst, die dir
Freude bereiten und die du längerfristig machen möchtest. Du kannst dir eine Affirmation dazu angewöhnen, wie etwa „Das ist wichtig für meine Genesung“ oder „Ich mache das, weil es mir guttut“,
und dazu lächeln. Dann bewertet dein Gehirn das neue Ritual, die neue Routine, als positiv.
Wichtig: Die Aussagen in diesem Text sind das Ergebnis meiner Recherchen aus wissenschaftlichen Untersuchungen, Fachartikeln, Büchern, Kursen, Aus- und
Weiterbildungen sowie meines eigenen Genesungsprozesses. Ich habe bestmöglich recherchiert, erhebe aber dennoch keinen Anspruch auf Richtigkeit. In der Wissenschaft gilt etwas solange als
Hypothese, bis es eindeutig belegt (oder widerlegt) ist. Das ist dann Evidenz, ein Fakt. Die Aussagen in diesem Text sind eine Kombination aus Hypothesen und Fakten.
Die Inhalte auf dieser Seite dienen außerdem nur zu Informationszwecken und ersetzen nicht das Gespräch mit Ärztin, Arzt oder anderen Therapeuten. Bitte sprich mit deiner Ärztin, deinem Arzt oder
Therapeuten, bevor du Entscheidungen triffst, die deine körperliche oder mentale Gesundheit betreffen. Jeder Weg in ein Mind-Body-Syndrom ist etwas Individuelles, und jeder Weg
heraus.